Bruch / Zäsur

filmintro

»Mit dem Januar 1933 ist eine Umwälzung in Europa vor sich gegangen, die nicht unsere Ziele zerstört, wohl aber Wege verschüttet hat, auf denen wir uns ihnen nähern zu können glaubten. Wir müssen uns neu besinnen.«

 

Notiz 1933

»Stehen wir wirklich am Anfang eines deutschen Faschismus, einer Staatsbeherrschung durch die Partei, die nicht nur was Überzeugung, sondern was die Bevölkerungsklasse angeht, weite Volksteile aus­ schließt und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft brutal wird niederhalten müssen. Mir ist es recht schwer zumute, wenn ich an das tägliche Unrecht denke. (…) Auch was mich selbst anbetrifft, stimmt mich dies äußerst trübe, denn es ist mir klar, daß

ich dabei auf lange Zeit zur Rolle des Amboß mitver­ urteilt sein werde. (…) [Ich] werde mit dem autoritären Nationalismus keinerlei Bündnisse eingehen (…) Der Dienst an den Rechten des einzelnen (…) im Zusammenhang und im Konflikt mit all den äußer­ lichen Ordnungen und Hindernissen ist mir ungleich wichtiger als der Dienst am ›Staat‹ (der zur Willkür geworden ist).«

Brief an seinen Vater, August von Trott, 13. Februar 1933

1933

1933 kehrt Adam von Trott vom Studium in England nach Deutschland zurück. Für ihn beginnt eine Zeit der Ungewissheit: Im nationalsozialistischen Deutschland will er sich nicht anpassen und wird in der Atmosphäre der »Gleichschaltung« zum Außenseiter. Mit seinen britischen Freund*innen hält er engen Kontakt.

Adam von Trott widersetzt sich dem Druck, in die NSDAP einzutreten, und bekennt sich zu seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Regime. Er verzichtet auf die angestrebte Lauf­ bahn im Staatsdienst, denn dem NS-Staat will er nicht dienen.

Die Verfolgung der sozialistischen und kommunistischen Opposition, die Konsolidierung des NS-Systems und die rassis­tische Entrechtung bestärken ihn in seiner Einschätzung des Nationalsozialismus als verbrecherisches System. Adam von Trott unterstützt Freund*innen, die rassistisch und politisch verfolgt werden, als Rechtsbeistand und bei ihrer Flucht aus Deutschland.

Wiederholt schöpft er seine Handlungsspielräume aus, um Regimegegner zu unterstützen oder das NS-Regime zu kriti­ sieren. So bewirkt er als Referendar die Entlassung von Hans Siebert, eines KPD-Mitglieds, aus dem Konzentrationslager und verhilft ihm zur Emigration nach Großbritannien. 1935 gibt

er ausgewählte politische Schriften Heinrich von Kleists heraus. In der Einleitung appelliert er an seine Zeitgenoss*innen, für ihre Freiheit und das Recht zu kämpfen.

Briefe

“I am strongly tempted to go via America (this entirely between you and myself) to look for a place to work if our continent is really going to be what we both feel threatening now a conflict has been spared. It is a damn hard choice, but I’d rather be a beggar than a slave and I am not too old to start all over again.”
Brief an Shiela Grant Duff, Tsingtao, 1. Oktober 1938

 

»Wenn einer sich für das Recht, wo es auch die Politik lenken muß, einsetzen will, dann darf er (…) keinen moralischen Bruch in seiner Haltung aufweisen. Er darf nicht das als ›Recht‹ anerkennen, was er als unmoralisch, als unpolitisch verwirft.«
Brief an August von Trott, April 1934

 

“I am not happy for many reasons which you can guess, besides the ship itself is like a big black coffin carrying me back to Europe to be buried there.”
Adam von Trott an Sheila Grant Duff, an Bord der SS Ranchi, 10. November 1938

 

“I am determined as ever not to let my little boat go smash in these preparatory stages of the great tide. (…) I begin to learn truly what it is to live on a revolving social basis. You know the trick of walking on a ball? (…) It involves a queer interaction of thought and feeling which again may be rather confined to the German in me. For I am one, for whatever happens to this country.”
Brief an Diana Hubback, Juni 1934

 

“It makes me sick and fed up with the utter ineffectiveness and negligibility of one’s reactions. I wonder whether I will ever live in a friendly world with friends again.”
Brief an Diana Hubback, Oktober 1933

 

“What personally I fear most in the world is that the development of things here – painful enough in itself – will estrange my few friends in your country to an extent harmful to relations which are still very dear to me.”
Brief an Diana Hubback, März 1933 

 

“My health is no good at the moment. I cannot eat, sleep or work properly, and I have lost a good deal of weight.”
Brief an Diana Hubback, Juni 1934

 

»Die Freiheit ist nicht nur ein inneres, sondern ein politisches Postulat. Je unsicherer es mit der Welt überhaupt bestellt ist, desto sicherer ist
es notwendig, für dieses Recht zu kämpfen.«
Einleitung zu: Heinrich von Kleist. Politische und journalistische Schriften, 1935

 

“I shall never be considered one of them (…) – nothing could be more clear and distinct. I am very alone, but not yet desperately so. That may come too, I have very few friends who really trust me and stand by me. You are one of them, bless you. Don’t get lost to me in any way.”
Brief an Diana Hubback, September 1933

 

»Ich halte mich nicht berechtigt, die überwiegenden Vorteile der Parteimitgliedschaft für mich in Anspruch zu nehmen, solange ich nicht allen Punkten des Parteiprogramms volle Gefolgschaft zu leisten imstande bin. Ich finde diese Auffassung durch Äußerungen der maßgeblichen Führer bestätigt, die mit Recht den Beitritt aus anderen Gründen als denen der persönlichen Überzeugung ablehnen.«
Ergänzende Erklärung zum Fragebogen, an das Oberlandesgericht Kassel, Juli 1933

 

“The chief in charge of my ideological and political education read to me the statement he had handed in about me to the authorities. He stated that not only was my attitude to the ruling tendency a sceptical one, but also that this was due to my weakness in not being able to arrive at a new departure about events, and to the fact that I was scholarly rather than a fighting nature, lacking – though gifted in various respects – fundamental integration. No use, rising in protest against this charge – actually it will form the most important document in the exam next year. I hope to demonstrate to him one day what I consider a fighting nature to be.”
Brief an Diana Hubback, September 1935, über ein Zeugnis im Referendariat

 

“There are so many questions which must be lived before they can be articulated. And sometimes I still believe my life may become an answer to one of them.”
Brief an Diana Hubback, 1934

 

“Es geht scharfe Luft. They didn’t shoot 7 but something between 46 and 100; amongst others the man who wrote Papen’s speech and the Catholic leader Clausener and many right wing people. Saw it in the ‘Times’. (…) I am all right. Sometimes there seems little chance for remaining in state service. Don’t write too openly.”
Adam von Trott an seine Mutter, Eleonore von Trott, über die als »Röhm-Putsch« getarnten Mordaktionen, Juli 1934

 

“This whole extreme sharpening of the European conflict came as a complete surprise to me (…) I confess that I failed to realise the intrinsic turning point which came about with the Anschluss.”
Brief an Shiela Grant Duff, Shanghai, 6. Oktober 1938

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